Literarisches Wandern
Eine Wanderung für Freund:innen feinen Erzählkunst, die sich für die Geschichte des südkärntner Raumes interessieren. Wir wandern auf den realen Spuren des Romans “Engel des Vergessens” von der Bachmann-Preisträgerin Maja Haderlap.1

Mit dem Bus fuhren wir ein paar Kilometer zum Parkplatz unterhalb des Vinkl-Hof. Vorbei an, duftenden herrlichen Blumenwiesen wurden wir nach ein paar hundert Meter von Marika und Zdravko Haderlap begrüsst. Mit einem “Stamperl” Widerstandsgeist führte uns Zdravko in seine Lebensgeschichte und Geschichte des Hofes ein.


Nach ca. 1 km bergwärts legten wir die erste Pause zum Lesen ein. Zdravko hatte für uns Texte vorbereitet. Unsere erste “Lesepartisanin” war Maxa, selbst erfolgreiche Autorin, bescherte uns die erste nachdenkliche Pause. Zwei Auszüge von den “Lesungen” haben wir filmisch festgehalten.
Ich gehe zu den Partisanen
Die erste Nacht im Partisanenversteck, als ich weder angemessene Kleidung noch eine Decke hatte, verbrachte ich mit Jozi Urh gemeinsam unter einer Decke. Als wir uns am nächsten Morgen mit den Partisanenkurieren trafen, war auch der Leutnant der Partisanenarmee und Kommandant der V. Relaislinie, Lugi Sprogar aus Trbovlje, zugegen. Weil er bereits über meine Tätigkeit Bescheid wusste, nahm er mich als persönlichen Kurier des Stabs des V. Kuriersektors in Kärnten zu sich. Vor lauter Begeisterung über die Aufnahme bekam ich feuchte Augen. Über Nacht war ich zum Kurier eines großartigen, stattlichen Leutnants geworden. Er hatte eine schöne Uniform, die auf den Ärmeln mit goldenen Abzeichen geschmückt war. In jener Nacht übernachteten wir auf der Schattseite von Mlacniks Wirtschaft.
Am nächsten Tag näherten wir uns »auf Partisanenart« vorsichtig Marolts Anwesen unter dem Berg Olseva. Wir quartierten uns beim höchstgelegenen Bauern in Koprein ein. Dort bewegten wir uns entlang der Kurierlinien K9, K10 und Kll. Dann quartierte sich der Stab des V. Relaissektors im Posten K8 bei Matija Potocnik in Koprein ein. Wir waren eine elfköpfige Mannschaft, die sich wie eine Herde junger Böcke benahm, und patrouillierten in Leppen und Remschenig. Eines Tages holten wir Essen und Obst, und als wir zurückgingen, begannen wir uns auf dem Jurjevcevi vrnuhi, wie der Gipfel des Plateaus noch heute genannt wird, gegenseitig herauszufordern, wer von uns der bessere Schütze sei. Als
sich Bogdan aus Murska Sobota mit seiner Mauser, die keinen Holzschutz am Lauf hatte, hinlegte und eine leere Dose traf, machten auch Rafael aus Ribnica und ein gewisser Jozko aus Kotlje beim Wettkampf mit. Nachdem dies recht lange so gegangen war, gingen wir endlich wieder zum Bunker K8 zurück, wo uns ein teuflischer Empfang geboten wurde. Der hohe Partisanenfunktionär Dusan Pirjevec – Ahac war über die Kurierlinie gekommen. Der Stabskommissar des V. Relaissektors, Moro, begann zu drohen, dass er den Verantwortlichen für das Wettschießen zur Erschießung vorschlagen würde. Der Kommandeur Matija war vor Wut völlig außer sich. Kommandant Lugi sagte: »Lassen wir die jungen Esel, die Deutschen werden sie ja doch umbringen, wenn sie ihre versteckten Wege so bewachen, dass sie ihre Schießübungen am kompromittiertesten Gelände abhalten.« Natürlich war das Ganze kein Scherz und hätte viel schlimmer enden können.
Uns wurden nur verschiedene kleinere Strafen auferlegt, vom Wachestehen und Patrouillieren bis hin zur Brennholzbereitung für den Bunker. Der höhere Offizier Ahac beruhigte den wütenden Moro, er solle diese Narren das nächste Mal auf solchen Rundgängen begleiten2.

Die leichte Wanderung hatte einige Herausforderungen für uns. Wie ging es den Partinsan:innen mitten im Winter, hoher Schnee, tiefe Temperaturen und ständige Bedrohungen druch die NS-Truppen?
Was ist ein/e Partisan:in?

Auf unserer Wanderung zeigt uns Originalschauplätze und Lebensorte im Inneren des Waldes. Ausrasten, neue Kraft sammeln für die nächste Wegstrecke und Hören, Lesen und Nachspüren, aber auch sich austauschen über das Erfahrene. Wir gehen mit allen Sinnen diese Tour.
Vor Ende der Tour lädt Zdravko uns ein zu einem kleinem Wasserfall ein. Hier ein Biotp, wo die Feuersalamander ihre Kinderstube verbringen, eine steile Felswand, wo das Wasser herunter plätschert, gehen wir in zwei Lesungen der Frage nach dem Wesen der Partisan:innen nach.
Gedenkstein für die Ermordeten der Hojnik Familie
Am Hof der Familie Polanšek, vulgo Hojnik, in Leppen/Lepena verübten Nationalsozialisten am 18. Jänner 1944 ein Massaker an einer slowenischsprachigen Familie die den PartisanInnenwiderstand unterstützte. Das Bauersehepaar Johan und Angela Polanšek, Eltern von sieben Kinder, sowie der 89-jährige Altbauer Florijan Polanšek wurden in der Nähe des Hofes ermordet und ihre Leichen vor Ort verbrannt. Zwei der sieben Kinder, die 17-jährigen Zwillinge Marija und Johi, wurden von der Polizei mitgenommen: Marija wurde ins KZ Ravensbrück deportiert und dort ermordet, Johi wurde aus der Haft entlassen und schloss sich den PartisanInnen an.

Der älteste Sohn der Bauern Jozej (Jože) war zum Zeitpunkt des Massakers als Soldat in der Deutschen Wehrmacht. Er desertierte und schloss sich dem PartisanInnenwiderstand an, im März 1945 kam er zu Tode. Die anderen vier Kinder des ermordeten Bauersehepaars blieben nach der Ermordung der Eltern bei Nachbarn und Verwandten zurück. 1982 enthüllte der Verband der Kärntner Partisanen einen Gedenkstein für die Ermordeten am Tatort3.
Quellenverzeichnis
- Aus dem Angebot “Literarisches Wandern / literarni pohod” von der A-Zone der Familie Haderlap ↩︎
- Dieser Text stammt von Peter Kuhar – Widerständig, Erinnerungen aus acht Jahrzehnten, Verlag Zalozba Drava, 2010 Klagenfurt/Celovec, ISBN 978-85435-615-8, Seiten 27 – 30 ↩︎
- DERLA | VERFOLGUNG UND WIDERSTAND IM NATIONALSOZIALISMUS
DOKUMENTIEREN UND VERMITTELN ↩︎