Tag 3 – Studienreise nach Kärnten und Slowenien

Besuch der Gedenkstätte im ehemaligen
KZ – Loibl-Süd

Es gibt keine Vergangenheit. Was leichtfertigt so genannt wird, ist ein Bestandteil der Gegenwart. Die Zeitspanne, die wir als gegenwärtig empfinden, reicht mind. über drei Generationen. Die Gegenwart dauert also rund 100 Jahre. In besonderen Fällen dauert sie für immer1.

Nach dem Besuch der Gedenkstätte Loibl-Nord geht es das erstemal nach Slowenien. Wir passieren die Grenze und durchfahren den 1056 m langen Tunnel zum Parkplatz bei der Gedenstätte Loibl-Süd.

Die Republik Slowenien stellt 1999 das gesamte Areal des ehemaligen Loibl KZ Süd unter Denkmalschutz und erklärt es zum »Kulturdenkmal von staatlicher Bedeutung«. Das ehemalige KZ-Gelände mit den Terrassen und den authentischen Fundamenten wurde viersprachig markiert und den Besuchern topografisch erklärt. Am 26. Mai 2000 wurde das kleine Museum vor Ort im Kellergeschoss einer Gaststätte eröffnet. Dieses Gebäude, das nach dem 2. Weltkrieg als jugoslawische Grenzpolizeikaserne erbaut wurde, steht an jenem Ort, an dem sich das Zivillager Loibl Süd befand, dessen Baracken nach der Befreiung abgebrannt wurden2.

Die Lagerchronik von Loibl-Süd3

Mai 1943 – Fertigstellung des Häftlingslagers Loibl Süd
August 1943 – Errichtung des Krematoriums beim KZ Loibl-Süd
Dezember 1943 – Tunneldurchstich der unteren Röhre (Feier der SS mit der Bauleitung d. Universale)
1944 – Weitere Häftlingstransporte aus dem KZ-Mauthausen bringen neue Zwangsarbeiter.
Dezember 1944 – das erste Auto fährt durch den Tunnel
April 1945 – Das Nordlager wird evakuiert und die Häftlinge werden in das Lager Süd verlegt.
7. Mai 1945 – Unter der Bewachung von 44 Wehrmachtssoldaten verlassen 950 Häftlinge das KZ Loibl-Süd durch den Tunnel Richtung Kärnten.
8. Mai 1945 – Bei Feistritz im Rosental befreien Partisanen die Häftlinge.

Die Metallstatue eines Skeletts, das die Arme zum Himmel streckt, stammt vom Bildhauer Joze Bertoncelj.

Gedenkraum (im Keller der ehemaligen Häftlingsküche) wo mit Steintafeln jene Konzentrationslager dargestellt werden in den Slowen:innen inhaftiert und ermordet wurden.

Das Häftlingslager

Der Bereich des Konzentrationslagers Loibl-Süd maß 10.000 m2. Das Lager lag am südlichen, sonnseitigen Abhang bei Podljubelj und war terrassenförmig angelegt. Rechts vor dem Eingang zum Konzentrationslager stand die Wachbaracke. Der Appellplatz, der Sammelplatz der Häftlinge, lag in der Mitte des Lagers.

Rechts davon, im oberen Bereich des Lagers, standen fünf Häftlingsbaracken und die Waschbaracke. Hier waren auch der Fußballplatz und die Boxarena. Unterhalb des Appellplatzes standen die Sanitätsbaracke, genannt Revier, die WCs und die Küchenbaracke mit den Vorratsräumen. Umgeben war das Konzentrationslager mit einem 3 Meter hohen Stacheldrahtzaun, der unter Strom stand, und sechs Wachtürmen mit starken Scheinwerfern.
Unterhalb des bewachten Lagerareals standen Baracken für die SS- Mannschaften, die Friseurbaracke, der Speisesaal und die Klubräume der SS, die Baracke des Kommandanten, der Hundezwinger, die Baracke des Lagerarztes und die Baracke für die Wachmannschaften.
Am Wildbach Zelenica unterhalb des Lagers war ein provisorisches, mit Steinen befestigtes Krematorium ausgehoben. Als Rost zum Einäschern der Leichen der verstorbenen Häftlinge dienten Eisentraversen4.

Das Leben der Menschen, die hier Sklavenarbeit verrichteten

Die grausame Fratze des Kapitalismus wird bei diesem System der Zwangsarbeit sichtbar. Die hemmungslose und todbringende Ausbeutung von “Häftlingen” erfolgte in der Regel im stillen Einvernehmen mit den “privatwirtschaftlichen Bedarfsträgern”, sodass Unternehmen (hier die Universale Hoch- und Tiefbau AG) unmittelbar zu Profiteuren des Konzentrationslagersystem waren5.

Arbeitsalltag

  • 04:30 Tagwache, Frühstück: 0,5 l warmer Kaffeeersatz ohne Brot
  • 06:00 Ausrücken zum Arbeitsplatz, Arbeitsbeginn
  • 12:00 Einrücken ins Lager (20 min)
  • 12:25 Mittagessen: 1 L dünne Kartoffel- oder Rübensuppe
  • 12:40 Ausrücken zum Tunnel
  • 13:00 Fortsetzung der Arbeit
  • 18:00 Einrücken ins Lager (jeder Häftling musste einen schweren Stein für den Wegebau im Lager mitschleppen)
  • 18:30 Fortsetzung der Arbeit im Lager – Roden, Wegebau
  • 20:00 Abendessen: Brot, 1 Scheibe Weichsalami oder 1 EL Marmelade
  • 21:00 Signal zur Nachruhe6

Ich habe klar gespürt, dass ich zum Tier wurde, und ich war nicht der Einzige. Es ist fürchterlich, ständig mit dem Gefühl der Angst zu leben, mit der Furcht, die einen erfasst und gegen die man nichts tun kann.
Geschlagen, geprügelt wie Hunde, ausgehungert, erschöpft, verängstigt, krank – und trotzdem haben wir durchgehalten…7

Es war immer dasselbe: Unsere Kleidung saugte sich zuerst voll mit Wasser, sodass keine Faser trocken war, dann erstarrte sie zu Eisklumpen, als ob sie aus Holz wäre….
Wir stellten uns in Reihen auf und warteten auf den Appell. Einige von uns standen bis zu den Knien in der weißen Masse, und die nackten Füße in den Zockeln begannen zu gefrieren, danach die Unter- und Oberschenkel8.

Die Österreichische/Kärntner Kultur des Vergessens und Verdrängens

Es war gängige Praxis, dass man in den ersten Nachkriegsjahren man die Aburteilung der Nazi-Haupttäter den alliierten Militärgerichten überließ. Bei einem solchen Militärtribunal wurde der ehemalige Kärntner SS-Gauleiter und Reichsstatthalter Friedrich Rainer 1947 in Laibach/Ljubljana als »Henker des slowenischen Volkes« wegen seiner zahllosen Kriegsverbrechen im besetzten Gebiet von Oberkrain zum Tode verurteilt. Vor einem britisch-französischen Militärgericht in Klagenfurt standen die Hauptverantwortlichen der Konzentrationslager am Loiblpass. Die Urteile wurde am 10. Oktober 1947 verkündet: »Tod durch Erhängen« für den KZ-Kommandanten, SS-Hauptsturmführer Jakob Winkler, und für den stellvertretenden Lagerführer, SS-Oberscharführer Walter Brietzke. Der KZ-Standortarzt, SS-Hauptsturmführer Sigbert Ramsauer, erhielt »lebenslänglich« – und war 1954 bereits wieder ein freier Mann, der sich bald darauf mit Erfolg an eine führende Stelle im Landeskrankenhaus in Klagenfurt bewarb. Zwei SS-Unterscharführer, die zwar auch »Folterknechte« waren, aber vergleichsweise weniger fest auf die Häftlinge eingeschlagen hatten, wurden freigesprochen. Alle übrigen mitangeklagten SS-Schergen und KZ-Kapos bekamen mehr oder weniger langjährige Haftstrafen. Anfang der 50er Jahre waren alle schon längst wieder auf freiem Fuß9.

In Wirklichkeit gibt es in Kärnten, dessen Zugehörigkeit zur Republik Österreich unbestritten ist, eine einzige reale Gefahr, vor der nicht eindringlich genug gewarnt werden kann: Das ist die Gefahr des Deutschnationalismus, dessen Umtriebe nicht nur die Beziehungen zur slowenischen volksgruppe vergiften, sondern auch im Widerspruch zu den Bestimmungen des österreichischen Staatsvertrages stehen10.


Quellenverzeichnis

  1. Zitat von Erich Hobsbawn aus den 1920er-Jahren, Historiker ↩︎
  2. Gedenkstättenforum ↩︎
  3. Jana Babsek und Franc Wakounig, Das Konzentrationslager LOIBL/MAUTHAUSEN 1943 – 1945, Auszug von der Broschüre Trziski muzej, Muzejska 11,4290 Trzic, Slovenija/Slowenien (Gedenkstätte Loibl – Süd), Seiten 16 – 17 ↩︎
  4. Jana Babsek und Franc Wakounig, Das Konzentrationslager LOIBL/MAUTHAUSEN 1943 – 1945, Auszug von der Broschüre Trziski muzej, Muzejska 11,4290 Trzic, Slovenija/Slowenien (Gedenkstätte Loibl – Süd), Seite 41 ↩︎
  5. Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, Begleitband zur Ausstellung, Hrsg. Stefan Hördler, Volkhard Knigge, Rikular-Gunnar Lüttgenau und Jens-Christian Wagner, 2016, ISBN 978-3-8353-1913-4, Seite 208 ↩︎
  6. Jana Babsek und Franc Wakounig, Das Konzentrationslager LOIBL/MAUTHAUSEN 1943 – 1945, Auszug von der Broschüre Trziski muzej, Muzejska 11,4290 Trzic, Slovenija/Slowenien (Gedenkstätte Loibl – Süd), Seite 28 ↩︎
  7. Zitat aus der Broschüre von Jana Babsek und Franc Wakounig – Robert Zarb, Familienarchiv Zarb, Zitat im Buch Christian Tessier, Daphne Dedet: Du Loibl-Pass ä la Brigade Liberte, Seite 29) ↩︎
  8. Zitat aus der Broschüre von Jana Babsek und Franc Wakounig – Gaston Charlet, Karawanken, le bagne dans la neige, Seiten 134 und 135) ↩︎
  9. Gedenstättenforum, siehe oben ↩︎
  10. Josef Hindels in der Einleitung zur Broschüre: Kärnten ein Alarmzeichen, Hrsg. Informations- und Pressedienst der Österr. Widerstandbewegung Nr./1974 ↩︎

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