Tag 3 – Studienreise nach Kärnten und Slowenien

Besuch der Gedenkstätte im ehemaligen
KZ – Loibl-Nord

Nach der Mittagspause sammelte der Busfahrer unsere Reisegruppe beim Lindwurm in Klagenfurt ein, und brachte unsere Reisegruppe zur Gedenkstätte am Loiblpass vor dem Tunnel. Links eine Kunstinstallation des deutsch-japanischen Künstlers Seiji1.

Die bequeme und schnelle Verbindung nach Slowenien verdanken wir den hunderten Zwangsarbeitern, die unter grausamsten Bedingungen den Tunnel durch das Karawankengestein durchschlagen mussten. Unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen und die menschenverachtende Folter und Quälereien der SS-Wachmannschaft forderten zahlreiche Todesopfer.

Nachdem vom Kärntner Mauthausenkomitee aus terminlichen Gründen keine Führung möglich war, hat sich Peter in die geschichtlichen Ereignisse eingelesen. Ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur zur Darstellung der historischen Ereignisse. Anders als im Theater, wo es Schauspieler:innen und Zuseher:innen gibt, machten wir uns gemeinsam auf den Weg, unsere Blicke in das historische Geschehen zu richten. Nach der Einleitung von Peter machten wir uns vorsichtig auf den Weg in die Orte des Grauens.

Im Mai 1941 begannen die Nationalsozialisten mit konkreten Vorbereitungen für den Bau eines Tunnels am Loiblpass, der die Verkehrsverbindung an den
Balkan erleichtern sollte. Die zentrale Nord-Süd-Verbindung über den Alten
Loibl war steil und kurvenreich und für Fahrzeuge nur schwer passierbar.

Im September 1942 schließlich setzte Friedrich Rainer, der Gauleiter von
Kärnten, den Bau des neuen Übergangs durch, dessen Kernstück der neue
Tunnel sein sollte – 1570 m lang in 1068 m Seehöhe.
Die Planung und Ausführung des Tunnelbaus wurde Anfang 1943 der Firma
„Universale Hoch- und Tiefbau AG“ übertragen, die auch die Verträge mit der
SS-Organisation Todt über die Bereitstellung von KZ-Häftlingen für den
Tunnelbau abschloss.

Hier der Blick von der ehemaligen Häftlingsbaracke 11.

Das KZ Loibl-Nord auf der Nordseite des Loiblpasses bzw. oberhalb des Tunnel-Nordportals wurde Ende Oktober 1943 von den ersten Häftlingen bezogen. Die Fläche betrug 7.500 m2.

Es lag auf 1100 Metern Seehöhe am Fuß der Zelenica/Selenitza inmitten eines
Waldstücks und im Schatten des Karawankenmassivs, weshalb es selten von der Sonne beschienen wurde. Die rauen Lebensumstände mit ihren strengen, schneereichen und langen Wintern haben die Häftlinge zusätzlich entkräftet. In der Umgebung gab es wenige Gehöfte bzw. Bewohner, Kontakte mit ihnen waren unmöglich, und auch die Zivilarbeiter hatten einen sehr eingeschränkten Zutritt zum Lager und somit keinen Einblick in das Lagergeschehen2.

Wer waren die Zwangsarbeiter?

Gedenktafel am Nord-Portal des Tunnels

Die Häftlinge wurden nach einer Selektion nach körperlicher Konstitution und beruflicher Angaben in Mauthausen hierher gesendet. Der Großteil der Häftlinge war als politisch eingestuft und kam aus Frankreich, es waren aber auch viele aus Polen, Russland und Jugoslawien. Insgesamt waren 1.650 Häftlinge interniert, der Höchststand betrug im August 1944 ca. 1.300.

„Die beiden Konzentrationslager am Loiblpass hatten als Zwillingslager zwar eine geografische Sonderstellung, waren aber in der NS-Kategorie Lagerstufe III dem Stammlager gleichgestellt – das hieß Rückkehr unerwünscht“.

Die Stahlkonstruktionen am ehemaligen Lagergelände zeigten die Standorte der Baracken an. Sie erinnerten mich an “eiserne Klammern” des Schreckens.

Tod durch Arbeit

In der Militärgerichtsverhandlung, dem sogenannten “Loibl-Prozess” schilderten Zeugen:

Ein Franzose namens “Leon” wurde Mitte 1944 ermordet. Dieser war bei der Arbeit im Tunnel gestürzt und hatte sich eine Rückgratverletzung zugezogen, die eine vollständige Lähmung zur Folge hatte. Der Zeuge musste im Aussenkrematorium einen Scheiterhaufen errichten. Der noch lebende Verletzte wurde in die Krankenstube der SS geschafft. Kurz darauf stiegen Rauchwolken vom Krematorium auf.3

Guschwitz (SS-Mann) hatte die Gewohnheit arbeitenden Häftlingen von hinten mit dem Revolver auf das Haupt zu schlagen wobei, wie sich der Zeuge erinnert, einem französischen Häftling das Ohr gespalten wurde4.

36 Häftlinge fanden direkt am KZ Loibl den Tod, sie wurden auf einem Scheiterhaufen unter freiem Himmel verbrannt. Drei Häftlinge starben kurz nach der Befreiung.

Da nach den Arbeitsverträgen zudem eine maximale Quote von 7,5 % ver
letzter oder kranker Arbeiter erlaubt war, wurden insgesamt an die 600
Menschen zurück ins KZ Mauthausen geschickt, was für sie den sicheren Tod
bedeutete.
Jene Zwangsarbeiter, die transportunfähig waren, wurden noch im Lager von
Sigbert Ramsauer, dem damaligen Lagerarzt, durch Benzininjektionen
getötet.

Manche konnten von dieser Sklavenarbeit fliehen

Von insgesamt 26 Fluchten gelangen 21, darunter waren 2 Slowenen5. Mit der Zeit entwickelte sich nämlich ein ausgeklügeltes, geheimes Nachrichtensystem im Lager: an der Baustelle beschäftige, ortskundige, beim Tunnelbau eingesetzte zivile Techniker wie
z. B. der Slowene Janko Tišler, unterhielten bereits seit der Gründung des KZs
Kontakt zum Widerstand in der Region.

Befreiung und Andenken

Bei der Vorbereitung zur Studienreise habe ich einen Artikel aus der Volksstimme vom Mai 2023 gelesen. Der/die Autor:in erinnert an Erwin Riess6 und dessen Rede zur Gedenkveranstaltung beim ehemaligen Loibl-KZ Nord im Jahr 2014. Der für mich so passende Auszug aus der Rede:

Die Befreiten trugen nichts mit sich. Dennoch drückte sie schweres Gepäck: die Erinnerung an die erschossenen Kameraden, an die Gedemütigten und Verratenen, an die Kranken, die vom SS-Arzt Ramsauer ermordet wurden. Damals konnten die Befreiten sich nicht vorstellen, dass Ramsauer, der den Häftlingen Benzin ins Herz gespritzt und sie so genannten medizinischen Experimenten unterworfen hatte, nach dem Krieg eine mit mannigfachen Auszeichnungen des Landes Kärnten veredelte Karriere machen sollte. Noch im hohen Alter, fünfzig Jahre nach seinen Verbrechen, verkündete der Mann, er würde, falls die Möglichkeit bestände, gern alles noch einmal und genauso machen. Sie konnten sich auch nicht vorstellen, dass die offizielle Erinnerung an das Lager unter einem Wald, unter einem sechzigjährigen Fichtenwald, wie er hier noch auf den Fundamenten des Zivillagers zu sehen ist, verschwinden würde.

Bäcker, Fleischhauer und Gewerbetreibende aus den umliegenden Ortschaften hatten am KZ-Betrieb nicht schlecht verdient. Auch Fenster und Türen, Glas, Beschläge und Ziegel fanden für private Zwecke Verwendung. Einzig der Stacheldraht blieb zurück.

Der Stacheldraht ist noch da. Wir haben keine Verwendung für ihn. Wir sind verpflichtet, alles zu tun, dass das so bleibt.


Quellenverzeichnis

  1. Jana Babsek und Franc Wakounig, Das Konzentrationslager LOIBL/MAUTHAUSEN 1943 – 1945, Auszug von der Broschüre Trziski muzej, Muzejska 11,4290 Trzic, Slovenija/Slowenien (Gedenkstätte Loibl – Süd), Seite 47 ↩︎
  2. Schilderung aus einem Artikel in derZeitung “Arbeiterwille” vom 6. September 1947 mit der Artikelüberschrift: Weitere grauenhafte Morde am Loiblpaß, Seite 4, gefunden im digitalen Archiv der ÖNB ↩︎
  3. Schilderung aus einem Artikel in der Zeitung “Volkswille” vom 18. September 1947 mit der Artikelüberschrift “Vom Loipaßprozess: Selbst Greise und Kinder wurden mißhandelt, Seite 8, gefunden im digitalen Archiv der ÖNB ↩︎
  4. Europa in Mauthausen Band 2, Hrsg. Gerhard Botz, Alexander Prenninger, Regina Fritz – Deportiert nach Mauthausen,2021 Böhlau Verlag, ISBN 978-3-205-20785-6, Seite 265 ↩︎
  5. Erwin Riess (* 13. März 1957 in Wien; † 25. März 2023 in Kärnten) war ein österreichischer Politikwissenschaftler und Publizist; ab 1983 Rollstuhlfahrer, war er Behindertenaktivist und ab 1994 freier Schriftsteller. Er verfasste Theaterstücke, Hörspiele, Drehbücher und Prosa. ↩︎

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