Ein Spaziergang durch den Zentralfriedhof

Seit langem wieder eine Tour im Schnee. Trotz der winterlichen Bedingungen konnten wir pünktlich um 13:00 Uhr unsere Tour zu den Gedenkstätten der Arbeiter:innenbewegung starten. Zügig erreichten wir das Denkmal zur Erinnerung an die Bürgerliche Revolution 1848.
Nach Auflassung der Kommunalfriedhöfe 1888 wurden die Gebeine von 23 Gefallenen am 6. September 1888 exhumiert und samt Denkmal auf den Zentralfriedhof überführt.1 Die Liste der Opfer findet man unter dem Link bei der Fußnote unter den Quellenangaben.

Wiener Zeitung am 16. März 18482

Informationen zu 1848

2. Station waren die Ehrengräber der Sozialdemokratie

3. Station – die Gedenkstätte zum 12. Februar 1934

Folgende Namen von hier begrabenen Schutzbündler:innen habe ich in einem Artikel des “sozialdemokratischen Kämpfer” gefunden:

Heinrich (Johann) Berger,Josef Bröckl (geb. 25.6.1888), Musiker, gestorben 19. Februar 1934; Anton Herzog (geb. 1895); Franz Judex; Josef Kamenik (geb. 10.12.1887) erlitt am 12. Februar 1934 beim Ausgang des Bahnhofes Heiligenstadt (19. Bezirk)
Tödliche Schussverletzungen: Andreas Klein (geb. 1861); Jakob Koch; Hans Kreuschitz; Alfons Lakomy; Marie Lenker; Johann Menschik; Johann Mihalcsini; S. Nemecek; Franz Nerad (geb. 25.10.1895); Frau Novak; Gisela Rössler (geb. 1867); Johann Schwab; Johann Steininger; Gustav Stocker; Alexander Toth (geb. 26.2.1901), Eisengießer, erlitt am 13. Februar 1934 in der Brünner Straße 57 (21. Bezirk) durch einen Brustschuss
tödliche Verletzungen; Josef Vanek; Franz Wondra.

Informationen zum Februar 1934

4. Station Spanienkämpfer

Hans Landauer schreibt im Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer (1936 – 1939), dass unter den Freiwilligen, die Spanischen Bürgerkrieg gegen den Faschismus kämpften, sich knapp 1400 Österreicher befanden.

Beispiel aus dem Buch – Seite 171

Franz GROBAUER
Geboren am 21. Mai 1914 in Salzburg, Glasarbeiter. Er kommt im August nach Spanien und kämpft im XI Bataillion IB/4. 1939. Er kommt nach Saint-Cyprien am Mittelmeer, wo ein Internierungscamp für ca. 90.000 Flüchtlinge der Spanischen Republik eingerichtet wurde. Er wird weiter verlegt in ein Internierungslager für spanisch-republikanische Flüchtlinge, europäische Juden und Gegner des Vicheyregimes. Von dort wird am 3.11.1941 in das KZ-Dachau ausgeliefert.3

Nach der Befreiung durch die US-Armee am 29.4.1945 arbeitet er im Straßenbau in Salzburg. Franz Grobauer stirbt im Juli 1987 in Wien.4

5. Station Gruppe 40

Über drei grasbewachsene Felder verteilt, liegen die Schachtgräber der Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Unter kleinen, kaum einen halben Meter großen Betongrabsteinen, die in Gruppen über die gepflegte Wiese verteilt sind, befinden sich ihre sterblichen Überreste. Flechten haben sich vereinzelt an der rauen Oberfläche der Steine festgesetzt. Die Inschriften sind teils verblast, geben aber noch immer Lebensgeschichten preis. Markant sind die Todesdaten, teilweise mit dem Zusatz “justifiziert” oder “hingerichtet”. Hier liegen die Widerstandskämpfer, die zwischen 1942 und 1945 im Wiener Landesgericht den Tod durch das Fallbeil fanden.

CHRISTINE ESTERBAUER IN DER WIENER ZEITUNG AM 24. AUGUST 2021

Links über weitere Informationen zur Gruppe 40

“Erschlagt mich, ich verrate niemanden” – Gestapo-Verhöre in Wien | Widerstandskämpferin Käthe Sasso

6. Station: Denkmal der Stadt Wien “Opfer für ein freies Österreich”

Am 1. November 1947 legte Bürgermeister Theodor Körner den Grundstein zur Errichtung des Mahnmals.

“Es war offenbar sehr schwer, aus dieser Wahrheit konkrete Gerechtigkeit für eine riesige Zahl von Einzelfällen zu schaffen – und zwar sowohl was die Täter als auch die Opfer betrifft. Dazu hätte die Pflicht gehört, jenen Österreichern, die von den Nazis vertrieben und zur Emigration gezwungen wurden, nach dem Krieg die österreichische Staatsbürgerschaft automatisch zurückzugeben oder zumindest anzubieten. Dass dies nicht geschehen ist, war ein großes Unrecht, das vielen sehr weh getan hat.

BUNDESPRÄSIDENT HEINZ FISCHER ANLÄSSLICH DES FESTAKTES 70 JAHRE WIEDERERICHTUNG DER REPUBLIK

Denkmal der Stadt Wien für “die Opfer für ein freies Österreich”

7. Station: Juli 1927

Ein Auszug von Grauslichkeiten dieses Tages:  (Julius Braunthal, Die Wiener Julitage 1927, Wienr Volksbuchhandlung, Wien 1927, Seiten 30f)

Auf der Ringstrasse wurde ein einzelner, hilferufender Verwundeter von einem Revierinspektor niedergestreckt.
Um 17:30 wurde bei der Sanitätsstation vor dem Stadtschulratsgebäude dem Arbeiter Bruno Peiska gezielt von der Polizei in den Rücken geschossen.
Ein Sanitätsauto wurde beim Planetarium unter wohlgezieltes Feuer genommen, dabei wurde eine Frau durch einen Kopfschuss getötet.

88 Menschen wurden durch die Polizei erschossen. Massenverhaftungen und Massendenunziationen – 919 Menschen wurden zur Anzeige gebracht. Bei 317 Anzeigen musste die Strafverfolgung eingestellt werden, obwohl sie mehrere Wochen in Haft waren. Bei den Prozessen wurden harmloseste Delikte unter schwere Anklage gestellt. Leute, die Autos angehalten haben, um Verwundete abzutransportieren, wurden wegen Erpressung zu Kerkerstrafen verurteilt.
Morde und Meuchelmorde von einzelnen Polizisten blieben frei von jeder Verfolgung und Strafe.

„Niemand hatte uns aufgefordert, zu demonstrieren, doch traf ich auf der Ringstraße viele Bekannte. Wir marschierten eine ganze Weile schweigend, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Wir fühlten uns eins in unserer Empörung über dieses Unrecht. Wir waren zutiefst in unserem Rechtsempfinden verletzt.“

ROSA JOCHMANN

Gedenkstätte zum Juli 1927

8. Station – Frauen der Sozialdemokratie

Nach der Präsidentengruft am Weg zum Tor 2 sind wichtige Frauen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft begraben.

9. Station Mrgarethe Schütte-Lihotzky

Margarethe Schütte-Lihotzky war die erste Architektin Österreichs und die Erfinderin der Einbauküche

Christine Sicher schreibt im “Zusammen“, dem Magazin des Integrationsfonds über das Leben von Margarethe Schütte-Lihotzky. Von Frauen die Häuser bauen, ihrem sozialen Engagement, ihrer Überzeugung als Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus sind ihre Spuren in Wien zu finden.

Mit ihrem Wunsch, Architektin zu werden, stieß sie selbst bei ihren
liberalen Eltern auf Unverständnis. „Es war ja damals nicht vorstellbar, sich von einer Frau ein Haus bauen zu lassen.
Ich konnte es mir ja selbst nicht vorstellen“, erinnerte sie
sich. Aber sie setzte ihren Willen durch und studierte als erste Frau an der Wiener Kunstgewerbeschule Architektur.
Dort lernte sie, „dass jeder Millimeter, den man zeichnet, einen Sinn hat. Wenn er umgesetzt wird, beeinflusst er die tägliche Umgebung der Menschen entscheidend.“


Quellenangaben

  1. Wien Geschichte WIKI – Denkmal für die Opfer der Märzrevolution 1848 ↩︎
  2. Digitales Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wiener Zeitung vom 16. März 1848, Seite 1 ↩︎
  3. Bild aus dem Buch: Im Heimatkreis des Führers, Nationalsozialismus, Widerstand und Verfolgung im Bezirk Braunau 1938 – 1945, Florian Schwanninger, Edition Geschichte der Heimat, 2. Auflage 2007, Buchverlag Franz Steinmaßl 4264 Grünbach, ISBN 3-902427-18-3, Seite 139 ↩︎
  4. Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936 – 1939, Hans Landauer in Zusammenarbeit mit Erich Hackl, 2003 Theodor Kramer Gesellschaft, ISBN 3-901602-18-6, Seite 103 stammt aus der Sammlung Hans Landauer im DÖW ↩︎

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