NS-Lager und Zwangsarbeit im Bezirk Krems (1939 – 1945)
Am Freitag, den 29. November machten wir uns auf den Weg nach Krems. Brigitte besorgte für uns die Zugtickets und um 10:30 traffen wir Karin Böhm, die Kuratorin der Ausstellung “NS-Zwangslager im Bezirk Krems1“, im Kremser Rathausfoyer.
Toll, dass sie sich am letzten Tag der Ausstellung für uns Zeit genommen hat. Einen großen Dank an Maxa, die alles hier vor Ort organisiert hat.
Mitten in Krems befanden sich in der Zeit von 1939 bis 1945 zahlreiche Zwangslager, oft verdrängt, heute fast unsichtbar. Viele Kriegsgefangene mussten in lokalen Betrieben, in der Industrie oder auch in privaten Haushalten Zwangsarbeit leisten und hatten dabei auch Kontakt zur Bevölkerung. Aus einigen wenigen dieser Begegnungen entstanden Freundschaften, die bis heute Bestand haben.
Wissenschaftliche Erkenntnisse konnten durch die Spurensuche der Citizen Scientists2 zusätzlich gewonnen werden. D.h. ehrenamtliche Forschende, die nicht hauptberuflich in der fachzugehörigen Wissenschaft tätig sind, nahmen Kontakt zur Bevölkerung auf und traten in Dialog mit ihr und erhielten von Nachkommen Informationen zum Thema.
Um Spuren von NS-Zwangslagern im Bezirk Krems zu finden, haben sich die ehrenamtlich Mitarbeitenden auf sehr unterschiedliche Weise in das Forschungsprojekt eingebracht.
So wurden letzte Zeitzeug:innen, die sich noch an Zwangsarbeiter:innen in den familieneigenen Betrieben und Landwirtschaften erinnern können, befragt. Außerdem wurde nach Dokumenten in Archiven, Topotheken und anderen Sammlungen recherchiert.
Anhand der vorliegenden Informationen hat sich ein Team von Fotograf:innen auf die Suche nach ehemaligen Lagerorten gemacht und diese Orte, auf deren frühere Funktion heute meist nichts mehr verweist, fotografisch dokumentiert. Die lokale Gruppe in Krems, an der sich etwa 15 Personen kontinuierlich beteiligten, wurde von internationalen Nachkommen ehemaliger Internierter verstärkt. Diese stellten dem Projekt Dokumente und Fotos zur Verfügung, die auf die Zeit der Gefangenschaft und/oder Zwangsarbeit verweisen3.
Beeindruckend war wie Karin Böhm mit einfachen Mitteln in einem begrenzten, öffentlichen Raum gelang die Ausstellung zu platzieren.
Buchtipp
Nichts zu sehen?
Stalag XVII B Krems-Gneixendorf – eine topografische Vermessung
Karin Böhm, Edith Blaschitz
ISBN: 978-3-99126-207-7
22,5×24,5 cm, 144 Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover
24,00 €
Quellenverzeichnis
- Presseinformation zur Ausstellung vom 7.11.2014 ↩︎
- Mit Citizen Science (auch Bürgerwissenschaft oder Bürgerforschung) werden Methoden und Fachgebiete der Wissenschaft bezeichnet, bei denen Forschungsprojekte unter Mithilfe von oder komplett durch interessierte Laien durchgeführt werden. Sie formulieren Forschungsfragen, recherchieren, melden Beobachtungen, führen Messungen durch, publizieren oder werten Daten aus. – Wikipedia ↩︎
- Universität für Weiterbildung Krems ↩︎
Ein Kommentar, der uns per Mail erreicht hat:
Die Citizen Scientists haben nicht selbstorganisiert geforscht, sondern im Rahmen eines Forschungsprojektes, dessen Kremser Teil von Karin Böhm entwickelt und geleitet wurde. Sie hat hier intensiv gearbeitet und die Fotogruppe, die Spuren an den (mutmaßlichen) Lagerorten gesucht hat, geleitet. Das hat zwei Jahre sehr intensive Betreuungsarbeit bedeutet, aber auch sehr viel historische Recherche, die wiederum den Ehrenamtlichen zur Verfügung gestellt wurde. Die Ausstellung und das Buch sind Teilergebnisse des Forschungsprojektes. Das ist wichtig, um zu verstehen, dass so eine große und vielfältige Citizen Science-Arbeit nicht einfach “selbst passiert”, sondern dass viel Arbeit dahintersteckt.