Studientag in Krems – Teil 2

Krems macht Geschichte

KremsMachtGeschichte lädt dazu ein, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Krems auseinanderzusetzen. Insgesamt gibt es 24 historische Stationen. Einige davon haben wir nach dem Mittagessen besucht.1

Wir haben uns diese Begleitbroschüre in der Touristeninformation geholt. Bei jeder dieser Stationen gibt es einen QR-Code für weitere Information. Zusätzlich gibt es Informationen in der Broschüre. Ein Danke an Maxa, die eine Vorrecherche für uns gemacht hat.

Es gibt einen einzigen Platz in Krems, der nach einem Widerstandskämpfer benannt ist: der Franz-Zeller-Platz.

Franz Zeller war 1938/39 an der Gründung einer kommunistischen Widerstandsgruppe beteiligt und organisierte gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfer:innen die „Rote Hilfe“: eine Hilfsorganisation, die durch die Sammlung von Geldern geflohene oder inhaftierte kommunistische und sozialdemokratische Parteimitglieder und deren Familien unterstützte. In seinem Abschiedsbrief schrieb er: „Aber es wird nicht so einfach sein, den Kopf unter die Guillotine zu legen, es ist ja ein Moment nur …“


Nach dem Ende des NS-Regimes 1945 unterschrieben zwölf ehemalige Häftlinge eine Petition, mit der sie die Weiterbeschäftigung des – wie es heißt – „guten Geists der politisch Inhaftierten“ empfahlen: „Sie hat unter Hintansetzung ihrer Person und dem Risiko, ihre Stellung zu verlieren, alles für uns getan wie z.B. mit Essen versorgt, uns immer Möglichkeiten gegeben, ein menschliches Dasein zu führen, […]

In den letzten kritischen Tagen, als die Ereignisse im Zuchthaus Stein auch auf Krems übergriffen (6.–8. April), hat Frau Stocker aus eigener Initiative die Flucht von politischen Häftlingen vorbereitet und unterstützt.“


Zur Erinnerung an die polnischen Opfer der „Massaker von Stein“ zu Kriegsende 1945 errichten die Republik Polen und die Stadt Krems ein Denkmal am 5. März 2015 am Friedhof Stein2.
Nach dem Massaker in Stein am 6. April wurden mehr als 40 zum Tod verurteilte Gegner des Nationalsozialismus aus dem Landesgericht Wien in Stein am 15. April erschossen, unter ihnen Mitglieder einer polnischen Widerstandsorgani-sation. Sie waren am 5. April zu Fuß von Wien nach Krems getrieben worden. In der polnischen Untergrundorganisation Stragan (“Marktbude”) haben Polen und Österreicher zusammengearbeitet3.


Gleich neben dem Eingang des Friedhofs in Stein befindet sich ein Grabmal für die Opfer des Massakers vom 6. April 1945. Die Exhumierung der Ermordeten begann im Jänner 1950 und ihre Beisetzung dauerte elf Tage, in denen die Stadt schwarz beflaggt blieb. Lediglich bei 112 der 321 Leichen ließ sich die Identität feststellen, ihre Namen werden jedoch auf dem Denkmal nicht genannt.


Als eines der sogenannten „Endphasenverbrechen4 wurden am 6. April 1945 nach offiziellen Schätzungen 386 überwiegend politische Häftlinge sowie der Direktor und drei Gefängnisaufseher des „Zuchthauses Stein” von Angehörigen der Waffen-SS, der Wehrmacht und der SA ermordet. In einem erschütternden Gewaltakt wurden die aufgrund des bevorstehenden Kriegsendes kurz zuvor freigelassenen Häftlinge in die Anstalt zurückgedrängt und erschossen bzw. unter Mithilfe von lokalen NS-Funktionären in der Umgebung von Krems aufgespürt und an Ort und Stelle ermordet.

Die Künstlerin Ramesch Daha5 nahm die Herausforderung, die rund 100 Meter lange und 7,5 Meter hohe Gefängnismauer künstlerisch zu gestalten, zum Anlass, dieses dunkle Kapitel der Haftanstalt aufzugreifen: Daha übertrug Auszüge des Strafgefangenen-Registers von 1944/45 unkommentiert als überdimensionierte Blaupausen auf die Mauer. Durch die Anwendung eines detailgetreuen Kopierverfahrens fokussiert sie den Blick auf die nüchterne Dokumentation der damaligen Insassen. Die Übertragung der handschriftlichen Auflistungen ins Riesenhafte aber erzeugt auch eine Ebene des Persönlichen, ist Zeile für Zeile Zeugnis der Schicksale dieser Menschen und gibt der Unfassbarkeit des Ereignisses durch die schiere Größe ein Gesicht.

Insgesamt 17 Kopien der Registerseiten wurden von Ramesch Daha mit allen auf der Vorlage befindlichen Spuren durchgepaust und in einem aufwendigen Verfahren an die Wand gemalt. Einzelne Durchstreichungen betreffen Inhaftierte nach 1945, deren Namen nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe üblicher- weise aus dem Register gestrichen wurden. Aus Respekt und Diskretion den betroffenen Personen und deren Familien gegenüber wur- den die Namen der Insassen aus der Zeit vor 1945 von der Künstlerin unkenntlich gemacht.

Text: Cornelia Offergeld
Historische Beratung: Dr. Robert Streibel
Eine Kooperation der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und der Abteilung Kunst und Kultur/Kunst im öffentlichen Raum des Landes Niederösterreich mit Unterstützung der Justizanstalt Stein.


Am 12. April 2015 wurde der Verbindungsweg von der Steiner Landstraße zur Steiner Donaulände nach dem griechischen Widerstandskämpfer Gerasimos Garnelis benannt. Garnelis kämpfte im bewaffneten Widerstand gegen die deutschen Truppen in Griechenland. Er wirkte an Sabotageakten und der Zerstörung von deutschen Bombern mit, wurde verhaftet, zum Tode verurteilt und nach der Internierung auf einer Gefangeneninsel in der Ägäis nach Stein überstellt. Garnelis überlebte das Massaker, das SS, Waffen-SS, Wehrmachtssoldaten und Volkssturm am 6. April 1945 an den Gefangenen in der Haftanstalt Stein verübt haben.

Nach der Befreiung konnte Gerasimos Garnelis aufgrund des dort herrschenden Bürgerkriegs nicht nach Griechenland zurückkehren. Er lebte über 50 Jahre in Krems, betrieb ein Elektrogeschäft und war Präsident des Fußballklubs 1. FC Stein. 1999 starb er verarmt. Im April 1995, bei der Gedenkveranstaltung „386“ anlässlich der 50-jährigen Wiederkehr des Massakers, sprach Garnelis erstmals öffentlich über sein Leben.


300 griechische Häftlinge waren 1944 nach dem Abzug der Wehrmacht aus Griechenland nach Stein gebracht worden.
Das Denkmal vor der Justizanstalt Stein erinnert an die 150 griechischen Häftlinge, die beim Massaker am 6. April 1945 ermordet wurden. Es wurde vom Griechischen Antifaschistischen Komitee Wien errichtet und Ende August 1946 enthüllt. Bei der Übergabe versprach der Kremser Bürgermeister Franz Riel, „es den nachkommenden Generationen als ein Sinnbild des internationalen antifaschistischen Kampfs unversehrt weiterzugeben“.


Die Synagoge in Krems wurde 1894 eingeweiht. Entworfen vom Wiener Architekten Max Fleischer, zeichnete sie ihre Verbindung von neugotischem Kirchenstil und Bürgerhäusern der Renaissance und vor allem ihr monumentaler dreistufiger Fassadengiebel aus. Zur Zeit ihrer Errichtung lebten in Krems rund 300 Jüd:innen.

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1938 musste die Synagoge von der Israelitischen

Kultusgemeinde an die NS-Stadtverwaltung übergeben werden. Bei der „Räumung“ des Tempels im September 1938 mussten die jüdischen Kremser:innen an einem demütigenden antisemitischen Spektakel teilnehmen. Unter Anwesenheit zahlreicher Schaulustiger wurden sie gezwungen, mit Einrichtungs- und Kultgegenständen „Tempel zu hüpfen“, und waren dabei körperlichen Übergriffen ausgesetzt.


Was haben wir noch entdeckt?

IRIS ANDRASCHEK HUBERT LOBNIG 2005 Life between Buildings Lebensbaum und Kalaschnikow

In einer Hoffläche im Altbau und am Forum Campus Krems wurden wie auf einem Marktplatz 21 lose hingestreute Teppiche, in Mosaiktechnik gefertigt, in die Betonplatte und in den Rasen intarsiert. Mit den Teppichen werden imaginäre, kommunikative Orte geschaffen, die trotzdem frei für flexible Möblierungen und Veranstaltungen bleiben. Mit der Idee, Teppiche aus verschiedenen Kulturkreisen zu verwenden, wollten wir die Internationalität der neu geschaffenen Fakultäten und der NutzerInnen der Universität unterstreichen und Wissenschaft, Bildung und Intellektualität als über- greifendes, verbindendes, verständnisförderndes Anliegen hervorheben. Die Bodenteppiche sollen den freien Platz strukturieren, einladen, ihn als Aufenthalts- und Betrachtungsort zu benützen, an bestimmten Orten zu verweilen, sich auf ihnen zu treffen. Sie sollen dem Platz eine Markierung verleihen („Treffen wir uns bei den Teppichen!”).

Teppiche sind etwas „Privates”, für den intimen Innenraum Bestimmtes; sie werden hier in den öffentlichen Raum getragen. Sie sollen auch Augenweide sein, ein Treffpunkt verschiedener Kulturen und Sprachen – zugleich kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Realitäten. Die Teppiche entsprechen historischen und aktuellen Vorlagen und entstammen unterschiedlichen Kulturkreisen (Türkei, Nordafrika, China, Mongolei, Afghanistan, …). Als Beispiele gegenwärtiger gesellschaftspolitischer Symbolik in Bildteppichen gibt es drei Teppiche mit Kriegsmotiven aus dem Afghanistan der 80er Jahre (20. Jh.).6


Quellenverzeichnis

  1. Die Beschreibungen der Stationen haben entweder aus dem Begleitheft entnommen oder von der dazugehörigen Internetseite, zu der jeweils verlinkt ist. ↩︎
  2. Mein Bezirk, 3. März 2015 ↩︎
  3. DERSTANDARD am14. April 2015 ↩︎
  4. Als Endphaseverbrechen oder Verbrechen der Endphase werden nationalsozialistische Verbrechen bezeichnet, die in den letzten Wochen und Monaten des Zweiten Weltkrieges begangen wurden; meist wird die Endphase dabei als der Zeitraum zwischen Januar 1945 und dem örtlich unterschiedlichen Ende der Kriegshandlungen verstanden – Wikipedia ↩︎
  5. Ramesch Daha ” 6.4.45″, 2018 ↩︎
  6. Die Informationen stammen von einer Info-Tafel in der UNI-Krems ↩︎

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