Der wohl. hervorstechenste und erschreckenste Aspekt unserer Realitätsflucht liegt […] in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handle sich um bloße Meinungen1.
Damit die Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse, der Menschen, die in sinnlosen Kriegen abgeschlachtet werden, die vertrieben werden, die wegen zerstörter Natur oder Hunger flüchten müssen für immer beseitigt wird und für immer unwiederholbar ist, braucht es eine Erinnerungskultur, die den Blick auf diese Ereignisse wirft. Unsere Rundgänge sind Formen des Gedenkens, die einerseits die Kraft unserer Vorfahren (Vorkämpfer:innen) und andererseits wichtige Ereignisse dieser Auseinandersetzungen zur Gegenwart in Bezug stellt.
Betriebsrät:innen vor dem Denkmal zum Andenken an die die Opfer des Faschismus von 1934 – 1945
Die Übersicht zu den Stationen dieses Rundganges findet man unter „unsere Angebote“. Herzlichen Dank an die Organisator:innen und Betriebsrät:innen für das Interesse und ihr Engagement. Wir wünschen viel Erfolg für ihre wichtige Arbeit.
Quellenverzeichnis:
Zitat von Hannah Arendt aus dem Buch „Bücher gegen das Vergessen“ – Kärntnerslowenische Literatur über Widerstand und Verfolgung von Judith Goetz, 2012 Kitab-Verlag, ISBN: 978-3-902585-94-3 ↩︎
Nach einem regnerischen Vormittag hatten wir Glück. Wir starteten um 15:30 und die nächsten Stunden konnten wir im Trockenen die Strecke absolvieren. Die Informationen zum Rundgang gibt es in der Broschüre und auf dem Blog. Deshalb versuchen wir hier einige neue Informationen zu den Inhalten des Rundgangs zur Verfügung zu stellen. Am Start hat uns Bruno wieder in die Geheimnisse der Streiks in den ehemaligen Werteim- bzw. Schindler-Werken eingeführt.
Hier im Hintergrund waren früher Ziegelwerke, wo PRODUZIERT – GEARBEITET- GEBOREN und GESTORBEN wurde. Unvorstellbares Leid.Weiterlesen →
Die Frauenakademie der Gewerkschaft GPA ist ein zentraler Bestandteil der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und wird in Zusammenarbeit mit den GPA-Bundesfrauen durchgeführt. Die Teilnehmerinnen kommen aus unterschiedlichen Berufsgruppen und bringen ihre vielfältigen Erfahrungen in die Lehrgänge ein. Der erste Lehrgang trägt den Namen Lore Hostasch – eine wegweisende Wahl, denn als ehemalige GPA-Vorsitzende, AK-Präsidentin und Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales prägte sie die Arbeits- und Sozialpolitik nachhaltig.
Bestens vorinformierte Kolleginnen machten sich mit uns auf den Weg. Am Weg vom Johanna-Dohnal-Platz zum Ring sprachen wir die erste Frauenvorsitzende der GPA nach dem Zweiten Weltkrieg – Valerie Kittel. Im Buch von Ruth Linhart über den Briefwechsel von Valerie beschreibt sie:
Bild aus der Zeitschrift „Solidarität“ anlässlich des 60jährigen Jubiläums des ÖGB
Am 15. April treffen sich interessierte Gewerkschafter:innen am Westbahnhof, um der Gründungsgeschichte des ÖGB nachzugehen. Wir treffen uns bei der Skulptur “Für das Kind“. Das Denkmal erinnert an die 10.000 mehrheitlich jüdischen Kinder, die 1938 durch die sogenannten Kindertransporte nach England vor der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime gerettet werden konnten.
Nach den Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges trafen sich trotz der Kämpfe in und rund um Wien am 13. April 1945 in einer 20 qm Wohnung Gewerkschafter zur Gründung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Nur wenige Tage später fand am 15. April 1945 im Direktionsgebäude am Westbahnhof eine Plenarversammlung statt. 33 Gewerkschafter beschlossen die Statuten des überparteilichen ÖGB und die Zuordnung der einzelnen Berufsgruppen zu den Gewerkschaften.
Bei Regen ging es zur ehemaligen Zentrale der Bau- und Holzarbeiter. Hier erinnerten wir uns an das Wirken von Johann Böhm, dem ersten Präsidenten des ÖGB. Von dort weiter in die Seidengasse zur ehemaligen Zentrale der Gewerkschaft Druck-Journalismus-Papier, deren Gewerkschaftstradition mehrere Jahrhunderte zurück reicht. Dem Wetter und der langen Route geschuldet fahren wir ein Stück mit der Strassenbahn bis zum Volkstheater. Brigitte schildert die Geschichte des Theaters, das erstmals Theaterstücke für die Arbeiter:innen zugänglich machte.
Heute machten wir uns auf den Weg zur großen Tour am Zentralfriedhof. Hier gibte es viele geschichtliche Denkmäler, die uns an Unterdrückung, fürchterlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Revlolutionen erinnern. Manche Gräber von Personen sind Orte der kraftvoller Initiative für Demokratie, Sozialstaat und der Einsatz für ein gutes Leben für alle. Andere Gräber führen uns an den Abgrund der menschliches Handels, wo Intoleranz, Menschenverachtung und blanke millionenfache Mordlust sichtbar werden.
Wir starten unsere Geschichtetour mit dem Jahr 1848 und manche schreiben, dass mit dem 19. Jahrhunder die Vorgeschichte der Gegenwart beginnt. Es war das Zeitalter der großen politischen Ideologien und der Massenemigration zwischen den Kontinenten und Stürme der Revolutionen brausten durch Europa.
Samstag Vormittag, Wienerbergstrasse, Sonnenschein, laut Wetterprognose vormittags die letzten warmen Sonnenstunden des Tages. Gegen 10 Uhr treffen die Teilnehmer:innen und Akteur:innen zum Rundgang ein. Heute findet eine Premiere statt, erstmals haben wir Kopfhörer, um eine bessere Verständigung der Teilnehmer:innen trotz des Verkehrslärms zu gewährleisten.
Die Gruppe beim Wasserturm – Walter schildert die Bedeutrung der Hochquell-Wasserleitung
Brigitte eröffnet nach der Begrüßung mit einer kurzen Übersicht über ehemalige Betriebe in Favoriten.
Bruno, ehemaliger Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrats schildert seine Erfahrungen bei den “Wilden Streiks” der Belegschaft, um bessere Löhne und Gehälter bei den Wertheim-Werken.
WeiberWirtschaftWexel mit Spaziergang zu widerständigen Frauen
Am Internationalen Frauentag besuchten zehn Frauen und zwei Männer – Mitglieder des Vereins Rote Spuren – am Vormittag in der Wiener Urania den Film von Johann Stuber und Erika Sieder über Frauen im Wechselgebiet. Frauen aus Berg und Tal des Wechselgebietes mit unterschiedlichen Berufen werden vor den Vorhang geholt. So präsentieren sich Hüttenwirtinnen, Bürgermeisterinnen, Köchinnen, Grafikerinnen, Konditorinnen, eine Jägerin wie auch Frauen aus weiteren Berufsgruppen und dem kulturellen wie auch künstlerischem Leben. Sie alle erzählen wer sie sind und wofür sie stehen.
In der Urania selbst erinnern wir an Hilde Hannak, der Volksbildnerin und Widerstandskämpferin. Sie war nach dem zweiten Weltkrieg lange Jahre Leiterin der Urania. Sie legte Wert auf gute Filme und so gewann die Urania als Kino mehr Bedeutung.
Am Stubenring 5 wird über Alice Ritter der ersten” Gewerbe-Inspizientin” – heute würden wir “Arbeitsinspektorin” sagen – gedacht. Dass erstmals eine Frau 1906 dazu ernannt wurde, ist der langjährigen Forderung der Arbeiterinnenbewegung zu verdanken.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen ergehen wir Stationen weiterer mutiger, kämpfender Frauen. Natürlich beginnen wir angesichts des Internationalen Frauentages beim Johanna Dohnal Platz. Viele Errungenschaften, die für uns heute selbstverständlich sind, hat Johanna Dohnal mit Frauen aus unterschiedlichen Organisationen erkämpft. “Wer waren eigentlich nach Johanna Dohnal die weiteren Frauenministerinnen?” überlegten wir hier auch gemeinsam. Wer fällt dir spontan ein?
Bildung für Frauen
Indem ich sie zur Gründung eines Unter-Realgymnasiums für Mädchen auffordere, gehe ich von zwei Grundsätzen aus, von der Nothwendigkeit der besseren weiblichen Schulung zu Zwecken des Erwerbes und von der Nothwendigkeit einer gründlicheren Bildung überhaupt. Schrecken sie nicht zurück, wir werden unsere Sache durchsetzen, wenn wir nur recht wollen. Die Gewalt ist freilich nicht für uns, wir haben als einzige Waffe nur die Idee. Aber die Ideen sind mächtig, wenn sie in tiefster Überzeugung wurzeln und dem Bedürfnisse der Zeit entgegenkommen.
Marianne Hainisch Zur Frage des Frauen-Unterrichtes. Vortrag gehalten bei der dritten Generalversammlung des Frauen-Erwerb-Vereines (1870).
Der nächste Schritt ging einige Jahre zurück ins Jahr 1892 zum Thema “Bildung für Frauen”. Marianne Hainisch war die Vorkämpferin dafür, dass in diesem Jahr das erste Mädchengymnasium 1892 gegründet werden konnte. 22 Jahre nach ihrerm Vortrag.
In der Rahlgasse 2 wurde 1911 der Verein “Einigkeit – Verband der Hausgehilfinnen, Erzieherinnen, Heim – und Hausarbeiterinnen” gegründet. 1927 wurde hier auch ein Heim für stellenlose Hausgehilfinnen (Dienstbotinnen) errichtet.
“Außen hui – innen pfui” könnte man beim ehemaligen Modesalon der Schwestern Flögge sagen. Denn auf der einen Seite entwarfen die Schwestern Flögge neben teuren Modellkleider, lockere Reformkleider ohne Korsett, damit die Frauen (nicht nur) von der Enge der Kleidung befreit wurden, andererseits gingen sie mit ihren 80 Schneiderinnen nicht besonders gut um. Im Jahr 1908 streikten die Näherinnen, sie waren mit den Betriebseinrichtungen und den Löhnen unzufrieden. Die damalige Arbeiter-Zeitung berichtete davon und warnte die Schneidergehilfen, an diesem Tag zu arbeiten.
Am Platz der Menschenrechte beleuchteten wir noch jene Person, die 1791 die “Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin” verfasste. Die Revolutionärin, Frauenrechtlerin und Autorin Olymp de Gouges (1748-1793).
Anlässlich des Internationalen Frauentages luden die GPA-Bildungsabteilung und die GPA-Frauen am 06.03.2025 zu einem Stadtspaziergang durch Wien ein, der sich der gewerkschaftlichen Frauengeschichte widmete. Brigitte von den Roten Spuren führte die Kolleg:innen durch eine feministische Geschichte in Wien.
Nach dem Motto der ersten Frau, die in Österreich Gewerkschafts-vorsitzende (Lore Hostasch, GPA-Vorsitzende) wurde – “SCHAUT NICHT ZU, SEID SELBST AKTIV“ tauchen wir ein in die Geschichtswelt starker Frauen. Wer waren die Frauen, die für ein allgemeines Wahlrecht, für Demokratie, für Gleichberechtigung und ein besseres Leben gekämpft haben?
Am 26. Februar 2025 konnten wir 24 Mitglieder unseres Vereins vor dem Waschsalon im Karl-Marx-Hof begrüßen. Mit großem Interesse verfolgten sie die Ausstellung über die Spuren der engagierten Käthe Leichter.
Die Staatswissenschafterin Käthe Leichter wirkte 1919 in der „Staatskommission für Sozialisierung“1 mit, wo sie u.a. die Vorbereitung des Betriebsrätegesetzes mitgestaltete. Besonders herausragend war ihre Arbeit als erste Leiterin der Frauenabteilung in der Arbeiterkammer (AK). Vor 100 Jahren wurde ja dieses Referat erstmals in der AK eingerichtet. Mit Anna Boschek, der Vorsitzenden der Frauensektion der Freien Gewerkschaften arbeitete sie eng zusammen.
Sie verfassten Studien zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Hausgehilfinnen, der Heimarbeiterinnen, wie ingesamt der arbeitenden Frauen. Käthe Leichter gelang es, eine eigene Radiosendung zu bekommen. In dieser wurden u.a. die Frauen auf die Ergebnisse ihrer Studien aufmerksam.
Viele gesellschaftliche Reformen der Ersten Republik waren auch Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Studien.
Käthe Leichter war eine beliebte Vortragende, weil sie es verstand, komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich und überzeugend darzulegen.
1938, ihr Mann war in die Schweiz geflüchtet, ihre Kinder wurden mit Hilfe einer Hausgehilfin ebenfalls in Sicherheit gebracht, wurde sie verraten, von der Gestapo festgenommen, kam 1940 in KZ-Ravensbrück und wurde 1942 im Zuge des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms in der Psychiatrischen Anstalt Bernburg/Saale ermordet.
“Die „Sozialisierungskommission“ sollte in der Zeit der Republiksgründung nach dem Ersten Weltkrieg Modelle für die Führung von Unternehmen in öffentlichem Eigentum unter Beteiligung aller Betroffenen ausarbeiten, besonders auch der Konsumentinnen und der Arbeitnehmerinnen. Die erste Voraussetzung dafür war das Recht auf Interessenvertretung und Mitbestimmung bei wichtigen Managemententscheidungen. Das Experiment wurde unter den rechts-konservativen Regierungskoalitionen ab 1920 gestoppt, aber das Betriebsrätegesetz konnte unter demokratischen Bedingungen nicht mehr zurückgenommen werden. (Brigitte Pellar in “Arbeit & Wirtschaft”, 4. Mai 2021, “Käthe Leichter: Die Flamme der Begeisterung”) ↩︎
Manfred Arthaber begrüsst die Gäste in der Faktory zum Filmabend. Tolle Kolleg:innen, die uns bei der Vorbereitung und am Abend selbst betreut und begleitet haben.
Der Raum war voll besetzt. Es mussten sogar noch ein paar Sessel hervor geholt werden.Weiter zum FILM